Der Wunsch nach einem eigenen Verein in Tackhütte
Ende der 1950er Jahre war die Stimmung in der Honschaft Tackhütte von Spannungen geprägt. Zwischen Nachbarn herrschten Rivalitäten, und der gesellschaftliche Zusammenhalt ließ zu wünschen übrig. Doch in einer Zeit des wirtschaftlichen und sozialen Aufbruchs nach den Kriegsjahren keimte auch in Tackhütte der Wunsch nach einer Veränderung. Während sich viele Einwohner in Vereinen der Nachbarorte engagierten, fehlten vor Ort eigene Strukturen. Wer sich gesellschaftlich oder kulturell betätigen wollte, musste die Honschaft verlassen.
Dieser Mangel an Angeboten führte dazu, dass der Wunsch nach einem eigenen Verein immer lauter wurde – einem Ort der Begegnung, des Feierns, der Zugehörigkeit. Begünstigt wurde dieser Wunsch durch zwei zentrale Treffpunkte im Ort: die kleine, aber lebendige Kneipe von Schmitz Jupp und das neu eröffnete Eiscafé Ernst Oellers, das später zur Gaststätte wurde. Hier gab es nicht nur Raum für Gespräche – hier entstand auch der Gedanke, in Tackhütte selbst etwas auf die Beine zu stellen.
Eine Kneipenversammlung mit großer Wirkung
Im Frühjahr 1958 wurde innerhalb der Honschaft zu einer Versammlung in der Gaststätte Schmitz eingeladen – handschriftlich, persönlich und keineswegs spontan. Das Treffen sollte an Fronleichnam 1958, dem 5. Juni, stattfinden. Anders als später gemunkelt, war dies keine Laune nach einer Prozession, sondern ein bewusst initiierter Schritt. Der Abend verlief zunächst ereignislos, einige Gäste wollten bereits gehen, als plötzlich einer rief: „Er könnt jetz noch net jonn, werr wollte os doch noch tesame sette …” („Ihr könnt jetzt noch nicht gehen, wir wollten uns doch noch zusammensetzen”) – ein Satz, der alles veränderte.
Elf junge Männer blieben, diskutierten weiter und gründeten schließlich den Schützenverein Tackhütte. Damit war die Basis geschaffen – nicht nur für den Verein, sondern für eine neue Gemeinschaft. In einer Honschaft, die lange von Spannungen geprägt war, bedeutete diese Gründung einen echten Neuanfang.
Freier Schützenverein statt Bruderschaft
Zunächst wurde überlegt, eine klassische Schützenbruderschaft zu gründen, wie sie in vielen katholischen Gemeinden üblich war. Doch einige Gründungsmitglieder befürchteten zu viel kirchlichen Einfluss auf das Vereinsleben. Die Sorge, der Pfarrer oder kirchliche Vorgaben könnten das Programm mitbestimmen, führte zur Entscheidung, einen freien Schützenverein zu gründen.
Trotz dieser Entscheidung blieb die Verbindung zur Kirche nie außen vor. Teilnahme an Prozessionen, Mitgestaltung von Pfarrfesten und der gemeinsame Kirchgang zum Schützenfest wurden schnell fester Bestandteil des Vereinslebens. Man wollte unabhängig sein – aber nicht unverbunden.
Das erste Sommerfest als Generalprobe
Für ein vollständiges Schützenfest war die Zeit im Gründungsjahr zu knapp. Stattdessen entschloss man sich, ein Sommerfest auf dem Grundstück der Gaststätte Schmitz zu veranstalten. Der Garten wurde mit Maschendraht umzäunt, mit Tannengrün geschmückt und blickdicht gestaltet – eine charmante Mischung aus Schutz und Festlichkeit. Der Zutritt blieb jenen vorbehalten, die sich wirklich für das Fest interessierten. Oder wie es damals hieß: „Wämötdonn well, mot mar erenn komme.“ („Wer helfen will, komm rein!“)
Ein improvisierter Umzug durch die Honschaft – noch ohne Uniformen, aber mit geliehenen Holzgewehren – sorgte für erste öffentliche Aufmerksamkeit. Auch wenn einige Zuschauer die Aktion belächelten, war das Sommerfest ein voller Erfolg. Es brachte neue Mitglieder und viel Zuspruch – und war der Startschuss für weitere Pläne.
Der Weg zum ersten Schützenfest in Tackhütte
Motiviert vom gelungenen Sommerfest, plante man für 1959 ein echtes Schützenfest. Trotz Terminüberschneidung mit der bekannten Rheydter Kirmes hielt der Vorstand an der Idee fest. Als Vorbereitung organisierte man einen Ausflug zu den Süchtelner Höhen – mit den Holzgewehren aus dem Kostümverleih Hinzen in Korschenbroich. Auf dem Rückweg kehrte die Gruppe in der Gaststätte Wefers ein. Hier entstand der Name des ersten und bis heute ältesten Zuges des Vereins: die Königsjäger.
Ein Verein mit bleibender Wirkung
Was 1958 als mutiger Schritt zur Versöhnung begann, ist heute ein fester Bestandteil des Dorflebens. Der Schützenverein Tackhütte steht für Zusammenhalt, Tradition und Eigeninitiative. Die elf Gründungsmitglieder legten den Grundstein für ein Gemeinschaftsgefühl, das weit über die Dorfgrenzen hinausstrahlt. Bis heute ist der Verein ein Ort, an dem Brauchtum gepflegt und Gemeinschaft gelebt wird – Jahr für Jahr, Fest für Fest.